LZ Premiere von "Geschlossene Gesellschaft"

Kategorie: Kritik

Geschlossene Gesellschaft

Treffen in der Hölle aufeinander: Garcin (Josef Reindl), Ines (Gabi Butz) und
Estelle (Ina Lehmann, sitzend)
Quelle: Uwe Grimm

 

Am Samstag feierte das Theater Nikola mit Jean-Paul Sartres "Geschlossene Gesellschaft" seine Herbstpremiere. Im Pfarrsaal St. Nikola brachten die Macher ein schauspielerisch hervorragendes Psychodrama auf die Bühne.
Im Pfarrsaal St. Nikola fand am Samstag eine außergewöhnliche Vorstellung statt. So fanden sich drei Menschen, besser gesagt: Verstorbene, an einem Ort wieder, den jeder aus seinen Gedanken verbannen möchte - der Hölle. Alle drei sind aus unterschiedlichen Gründen dort gelandet. Alle drei versuchen, diese Gründe für sich zu behalten. Stattdessen gieren sie nach der Anerkennung der anderen beiden und nach der Lossprechung von ihren irdischen Sünden.
Nach der Einweisung in die Gepflogenheiten der Hölle durch den "Kellner", gespielt von Richard Marx, beginnt für die Neuankömmlinge ein äußerst harter Weg hin zur Erkenntnis. Während Garcin (Josef Reindl) zu Beginn keinen Wert auf Gesellschaft legt und sich in stoisches Schweigen hüllt, versucht die lesbische Ines (Gabi Butz) sich an Estelle (Ina Lehmann) heranzumachen. Allerdings ist diese den Avancen völlig abgeneigt.

Estelle ihrerseits wendet sich Garcin zu, der aber Ines' Anerkennung sucht. So lechzen alle nach dem, der ihnen abgeneigt ist. Trotz der daraus resultierenden Anfeindungen werden sich die drei Protagonisten darüber klar, dass es keine Möglichkeit gibt, die unfreiwillige Gesellschaft zu verlassen. Ebenso wird ihnen klar, dass es für sie keinen Folterknecht braucht - ist doch ein jeder der Folterknecht des anderen.
Der unter der Regie von Reinhart Hoffmann aufgeführte Einakter zeigt alle Facetten des menschlichen Wesens. Geleitet von durchaus weltlichen Gefühlen entstand ein Sumpf aus Niedertracht, Verzweiflung, Hingabe und Hass. Sartres außergewöhnliches Geschick, die menschlichen Niederungen zu durchleuchten, wurde vom Ensemble eindrucksvoll gespielt.


Rolle der Estelle: Zwischen Raffinesse und Wahnsinn

So lag während der Aufführung eine nicht greifbare Stimmung, gleichzeitig aber eine deutlich spürbare Spannung in der Luft, die sich auf die Zuschauer übertrug. Während Gabi Butz ihre Ines als bemüht ruhige, aber innerlich zerrissene Person ausgezeichnet auf die Bühne brachte, spielte Josef Reindl Garcin, einen ausgemachten Feigling und Frauenquäler, authentisch und lebendig. Die anspruchsvollste Rolle bekleidet wohl Ina Lehmann als Estelle. Diese, zwischen Raffinesse und Wahnsinn pendelnd, drückte dem Stück ihren Stempel auf. Mimik und Gestik waren herausragend und verstörend zugleich.
Schauspielerisch derart hervorragend besetzt und regietechnisch ausgefeilt, entwickelte sich ein Psychodrama erster Güteklasse. Das Publikum wurde nach einer atmosphärisch dichten, von Wahnsinn, Verlogenheit, Eitelkeit, Oberflächlichkeit und absolutem Egoismus geprägten Vorstellung mit der Erkenntnis "die Hölle, das sind die Anderen" wieder in die Welt der Lebenden entlassen.