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Theater Nikola Landshut e.V.

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Bella

Zwischen Zangenhälften
Wie das Theater Nikola selbst am schlechten Stück nicht scheitert

Groß war der Jubel, begeistert das Publikum, glücklich waren die Verantwortlichen. Am Samstagabend feierte Anna Crons "Bella" Premiere im Theater Nikola. Und führte einmal mehr vor Augen, wie routiniert sich diese Laienbühne mittlerweile ihrem künstlerischen Anspruch stellt. Auch wenn sich dieser im aktuellen Fall nur darauf beschränkt, einen schlechten Text in sehenswerte Bühnenarbeit zu münzen. 
"Bella" kommt als Neues Kritisches Volksstück daher und ist doch nur besoffen von Betroffenheit. Wo Martin Sperr oder Franz Xaver Kroetz Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre angetreten waren, mit ihren Werken den gesellschaftspolitischen Rahmen zu sprengen, watet Cron in den Untiefen "universeller" Sozialkritik und liefert lediglich grob geschnitzte Versatzstücke aus dem Archiv spießbürgerlicher Borniertheit. 
Dass dieses jedoch 1990, zum Zeitpunkt der "Bella"-Entstehung, schon längst geplündert war, scheint,, die Autorin nicht in Geringsten gekümmert zu haben. Vielleicht ist auf Crons Homepage deshalb von einem Stück die Rede, das "Fragen aufwirft, die auch vor hundert Jahren gültig waren und die bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben". Besser macht es die Sache nicht. Wird doch hier munter aufgeworfen, ohne aufzufangen. 
Bellahat ihren Mann aus Eifersucht erstochen, lässt dafür seine Geliebte schmoren, wird von Mitterer, dem bösen Polizisten, der von ihrem Geheimnis weiß, zur Ehe gezwungen und fällt schließlich dem Wahnsinn anheim. Die Familie nimmt von alledem ratlos-schockiert Kenntnis. Ihre Schwester Li, vom Neid auf Bellas Schönheit seit jeher zerfressen, staubt am Ende Mitterer ab. 
Bella: ein Opfer der Umstände. Worum es sich bei diesen handelt bleibt gänzlich offen. Diffuse Rassismus-Andeutungen (bezogen auf die Abstammung von Bellas erstem Mann) tragen dabei ebenso wenig zur Klärung bei wie die rudimentäre Schilderung familiärer oder gesellschaftlicher Umstände. Weshalb "Bella", das Stück, denn auch nicht über eine leicht hysterische Variation der Opfer-Thematik hinausgeht. 
Trotz allem: Bestechend 
Bleibt nur noch die Frage, warum, die "Bella"-Inszenierung am Theater Nikola trotz alledem durch ihre Sehenswürdigkeit besticht. Ganz einfach deshalb- Regisseur Reinhart Hoffmann gelingt es vortrefflich, textimmanentes Verständnisgeheische konsequent zu meiden, indem er auf starke Bilder setzt, die im Lauf der Handlung eine eigene Dynamik entwickeln. Kraft subtiler Bühnengestaltung (Hans Salisco, Anton Seeanner, Harry Wiesner) trennt er zwischen Bellas (hervorragend. Angela Jackermeier) innerer Befindlichkeit und ihrer äußeren Umgebung, die, vor spiegelnden Glaswänden, nur um sich selbst kreist. Rudolf Karl, der als Mitterer seine Blumensträuße wie Knüppel trägt, und Gaby Butz, die eine exzellent verbiesterte  Li gibt, agieren dabei wie zwei Hälften einer Zange, die Bella schließlich den Lebensdorn zieht. Dass das erstklassige Programmheft (Birgit und Benno Herrmann) dabei noch höchst Interessantes zu häuslicher Gewalt und dem Wandel westlicher Familienstruktur bietet, spricht nur für eingangs erwähnten Anspruch. Der durch adäquate Stückauswahl allerdings noch ungleich besser zum Tragen käme. 
Uli Karg

 

"Bella" bellissima
Mit Anna Crons "bella" großes Theater vom Theater Nikola im Pfarrsaal St. Nikola
Im hellen Spot ein Liebespaar beim Tanzen. Sie schmachtet zu "Je t'aime", er schaut auf die Uhr. Statt ihr die Hand zu reichen, drückt er die Zigarette an ihrem Arm aus. Grelles Gelächter mit einer anderen. Bella steht da, lnkarnation einer gedemütigten Frau. Selbstmord? Mitnichten, die Totenglocken kurz darauf geben ihm das letzte Geleit. Schritt für Schritt kristallisiert sich nun Bellas Leidensweg heraus.
Reinhart Hoffmann inszeniert Anna Crons sperriges Stück "bella", das bisher erst einmal in Würzburg aufgeführt wurde, überaus sensibel, hoch professionell und mit wesentlich mehr Tiefe" als der Text vermuten lässt. So wird aus dem vom Fränkischen ins Niederbayerische übertragene Volksstück ein expressives Psychogramm, das zwischen satirischer Verfremdung und holzschnittartiger Typisierung die Nuancen menschlicher Abgründe freilegt und dabei auch noch eine wunderbare Bühnenoptik entwickelt.
Ruhe, den Blick für das Wesentliche, symbolische Verdichtung kennzeichnen den Regiestil Reinhart Hoffmanns. Keine Spur mehr von der Hektik ständiger Szenenwechsel. Die Simultanbühne erlaubt nahtlose Übergänge, zeitlupenhafte Verdichtung des Geschehens, den Blick nach innen und eine schlüssig verständnisvolle Interpretation von Bellas Leidensweg.
Im warmen Sommerlicht erstrahlt der karge Essplatz der Familie im skandinavischen Möbeldesign weit weg von volkstümlicher Ordnung ins überall und jederzeit transportiert, multipliziert durch die Spiegelwände, hinter denen Bellas Kammer als langer Gang erscheint, gleichsam als Galerie von Bellas Gefühlen, mitten hinein in ihr Herz. Der Liebste hängt dort zwischen weißer Rose und Krawatte, beides in Blut getränkt. Das Bild ihrer Tochter kommt dazu und das der Geliebten ihres Mannes - mit Veilchenauge. Sie hat die Mordtat nicht begannen, aber nach den Verhören gestanden.
Der Polizist, der verhört hat, wirbt nun um Bella, vergewaltigt sie, heiratet sie und bringt sie ins Irrenhaus, als sie ihm die Liebeslust verweigert. Die Familie schaut zu, schlimmer noch die Schwester, sich immer im Schatten Bellas fühlend, nimmt nun endlich Bellas Platz ein.
Die Rollen'sind wie geschaffen für das Theater Nikola. Parterre niederbayerisch die Nebenfiguren: Lisa Gusel als Mutter herrisch und zugleich ohnmächtig; Gaby Butz als eifersüchtige Schwester immerzu giftend, kaltherzig und intrigant; Sonja Trompke, Rainer Weiher und Sabine Wiesner als weitere Famülienmitglieder verständnislose Mitläufer und Mittäter; Hans Kaltenbacher als Bellas Mann aalglatt und arrogant. Lediglich Josef Reindl darf als genüsselnder Pfarrer harmlos parodistisch auflockern.
Ganz anders Rudolf Karl. Hinter seiner gemütlichen Ausstrahlung lauert das blanke Entsetzen, ein Machtmensch, der sich die Menschen gefügig macht, den Kampf sucht, um sich als Stärkerer zu beweisen, nie klein beigibt, sondern eins drauf. Demonstrativ dekoriert er die Fotos des Exmanns mit roten Nelken, und wertet Bella dami als Trophäe ab. Selbst Schwesterchen Li kauft er die Courage ab. In dem Moment, als er ihr die Kartoffel im Gesicht zerdrückt, übernimmt er das Regiment.
In diesem Umfeld hat Bella keine Chance. Angela Jackermeier gibt dieser Figur die Unschuld zurück. Zutiefst gekränkt, bleibt sie doch die einzig Liebende. Von der einstmals hübschen, verwöhnten Bella ist nichts mehr übrig. Wie schön sie war, kann man an ihrer Tochter Nora ahnen. Marie-Therese Hoffmann spielt sie selbstversunken narzistisch. Reinhart Hoffmann kreiert für sie eine eigene Szene und öffnet den Blick auf die Konsequenzen. In dem Moment, als Nora den Teddybären aufschlitzt, wird Bellas Mord zum Traumata der Tochter.
Nun ist Bella in der weiten Bluse dicklich und unförmig. Wie ein Sterntaler steht sie im weißen Unterkleid mit Brautschleier und roten Plastiknelken, von Bier besudelt, auf dem Hocker, Ikone eines geschundenen Menschen. Im Leid entwickelt sie eine strahlende Aura, die ihr eine neue Qualität verleiht und sie von niemanden mehr berührbar macht. Hilflos steht der Polizist hinter ihr. Die Hände zehn Zentimeter über ihrem Scheitel. Er kann sie nicht mehr fassen. Oder, möchte er sie nun plötzlich beschützen? - eine eigenwillige, poetische Schlussversion des Theaters Nikola.
Michaela Schabel